Inhalt der ZEE 1/1999


Die Deutsche Gesellschaft für Elektrostimulation und Elektrotherapie e. V. (GESET)

T. Mokrusch (1), F. P. Bossert (2), E. David (3), A. Lange (4), B. Blum (5)
(1) Hedon-Klinik, Lingen und Universität Erlangen-Nürnberg, (2) AGET: Düsseldorf des ZVK, Köln, (3) Physiol. Institut der Universität Witten-Herdecke, (4) Institut für Physikalische Medizin der Universität Dresden, (5) VPT: München

Zusammenfassung

Die Deutsche Gesellschaft für Elektrostimulation und Elektrotherapie e. V (GESET) wurde 1996 als wissenschaftliche Fachgesellschaft gegründet. Sie ist ein gemeinnütziger eingetragener Verein und verfolgt das Ziel, die Weiterentwicklung der Elektrotherapie zu fordern. Das Besondere an ihr ist, daß sie auf einem kleinen Teilgebiet von Therapie und Rehabilitation ein interdisziplinäres Forum darstellt, auf dem gleichermaßen Physiotherapeuten, Masseure und Medizinische Bademeister, Ärzte, Wissenschaftler aller beteiligten Fachrichtungen, Entwickler und Hersteller zusammenarbeiten, um das Motto der GESET zu verwirklichen, »Standards und Empfehlungen« zu erarbeiten. Dies soll dem Anwender eine gesicherte klinische Anwendung erleichtern, und die auf einer wissenschaftlichen Basis erarbeiteten Empfehlungen sollen auch für Kostenträger nachvollziehbar sein.
Schlüsselwörter: Elektrostimulation, Elektrotherapie, Kooperation, wissenschaftliche Fachgesellschaft

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Die chronisch-niederfrequente Elektrostimulation von Skelettmuskeln

D. Pette
Fakultät für Biologie, Universität Konstanz

Zusammenfassung

Die Skelettmuskulatur der Säugetiere ist auf Grund ihrer Zusammensetzung aus verschiedenen Fasertypen ein extrem heterogenes Gewebe. Muskelfasern sind jedoch keine starr fixierten Einheiten, sondern verfügen über ein hohes adaptatives Potential. Sie besitzen die Fähigkeit, ihre phänotypischen Eigenschaften durch qualitative und quantitative Änderungen der Genexpression an längerfristig geänderte funktionelle Erfordernisse anzupassen. Die chronisch-niederfrequente Stimulation hat sich als ein geeignetes experimentelles Modell erwiesen, um diese funktionelle Plastizität und die Bedeutung neuronaler Impulsmuster bzw. den Einfluß gesteigerter neuromuskulärer Aktivität auf den Muskelfaser-Phänotyp klarzustellen. Die niederfrequente Stimulation schneller Zuckungsmuskeln von Ratte und Kaninchen induziert sequentielle Fasertypübergänge, wobei schnelle Typ IIB- in langsamere Typ IID- und Typ IIA- und diese schließlich in langsame Typ I-Fasern umgewandelt werden. Diese Fasertypübergänge beruhen auf Änderungen in der Expression von Proteinisoformen myofibrillärer und anderer sarkomerischer Proteine. Außerdem induziert die Stimulation Änderungen im Aktivitätsmuster der Enzyme anaerober und aerober Stoffwechselwege, die eine erhebliche Steigerung des aerob-oxidativen Potentials zur Folge haben. Diese und weitere Veränderungen führen zur Transformation schneller, rasch ermüdbarer Muskeln in langsame, ermüdungsresistente Muskeln. Dieser Übersichtsartikel faßt die wesentlichen Phänomene der durch niederfrequente Stimulation ausgelösten schnell -> langsam-Transformation und ihre molekularen Ursachen zusammen. Außerdem versucht er, Möglichkeiten für medizinisch-therapeutische Anwendungen aufzuzeigen.
Schlüsselwörter: adaptives Potential, chronisch-niederfrequente Elektrostimulation, Energiestoffwechsel, Muskelfasertranstormation, Muskelfasertypen, myofibrilläre Proteinisoformen

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Grundlagen zur Elektrotherapie - Stromwirkungen und Nebenwirkungen

J.-P. Güttler
Institut für Angewandte Forschung (IAF), Fachhochschule Ulm

Zusammenfassung

Es werden die für das Verständnis von Effekten und Nebeneffekten von Strömen notwendigen Grundlagen aus biophysikalischer Sicht beschrieben. Bei der Anwendung von Elektroden erzeugt der das Gerät verlassende Strom im Gewebe eine räumliche Stromdichte, die für die Wirkungen verantwortlich ist. Diese Wirkungen können Ionenverschiebungen oder Beeinflussung von Membranen sein. Im niederfrequenten Bereich können Aktionspotentiale ausgelöst werden. Bei höheren Frequenzen verringert sich dieser Effekt. Sehr hohe Frequenzen werden bei der Diathermie mit elektromagnetischen Feldern verwendet. Dabei ist die Hauptwirkung die Erzeugung von Wärme im tieferen Gewebe. Ähnlich wirkt therapeutischer Ultraschall. Durch die Wahl falscher Behandlungstechnik, falscher Parameter oder falscher Therapiedauer können sich die gewünschten Wirkungen in unerwünschte Nebenwirkungen wandeln.
Schlüsselwörter: Elektrotherapie, Elektrostimulation, Diathermie, Ultraschall-Therapie

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Die Wertigkeit der EMG-gesteuerten Elektrostimulation in der Therapie und Rehabilitation zentralnervöser Störungen
Stellungnahme der GESET

T. Mokrusch (1), F. P. Bossert (2), E. David (3), A. Lange (4), B. Blum (5)
(1) Hedon-Klinik, Lingen und Universität Erlangen-Nürnberg, (2) AGET: Düsseldorf des ZVK, Köln, (3) Physiol. Institut der Universität Witten-Herdecke, (4) Institut für Physikalische Medizin der Universität Dresden, (5) VPT: München

Zusammenfassung

Die EMG-gesteuerte Elektrostimulation (EMG-ES) ist eine Behandlungsmethode, die zu den jüngeren Therapieverfahren zählt und sich zunehmender Beliebtheit erfreut. Sie entspricht einer Kombinationstherapie aus Niederfrequenz-Myostimulation, (Bio-)Feedback-Verfahren und Bewegungstherapie. Zielsymptome sind Spastik und Parese, für beide ist die Effizienz bewiesen. Der Effekt beruht i. w. auf der Plastizität zentralnervöser Strukturen nach einer Läsion. Indikationen sind vor allem der Schlaganfall mit Hirninfarkt und Hirnblutung, aber auch andere zentralnervöse Läsionen wie Z. n. Operation, Trauma, Entzündungen, Multiple Sklerose etc. Als Einsatzgebiet diskutiert werden auch extrapyramidale Störungen, z. B. beim M. Parkinson. Die Stimulation kann EMG-initiiert, EMG-getriggert oder EMG-abhängig durchgeführt werden, Oberbegriff ist die »EMG-gesteuerte« Elektrostimulation.
Nach Durchsicht der Literatur erstellt die GESET folgende Stellungnahme: Therapieerfolge der EMG-ES sind eine Minderung der Spastik sowie eine Zunahme der Willkürmotorik und damit eine Verbesserung der Fähigkeiten des täglichen Lebens (ADL). Die EMG-ES ist einer Monotherapie mit Krankengymnastik und auch einer Monotherapie mit Elektrostimulation überlegen. Sie kann angewendet werden bei zentralen Läsionen, unabhängig von der Ätiologie (die umfangreichsten Erfahrungen existieren in der Rehabilitation des Hirninfarktes), der Einsatz bei peripheren Läsionen ist nicht Gegenstand der vorliegenden Stellungnahme. Der Therapieerfolg ist um so größer, je früher die Therapie einsetzt (innerhalb des ersten Jahres nach Läsion), kann graduell abgeschwächt und verlangsamt aber auch noch nach weit über zehn Jahren erreicht werden. Vergleichbares gilt auch für das Lebensalter des Patienten. Motivation und Verständnis für die Therapie sind wesentliche Voraussetzungen für eine effektive Therapie, die Frage der Hemisphären-Bedeutung (Aphasie, Psychosyndrom) ist noch nicht ausreichend geklärt. Optimal ist eine professionell durchgeführte Therapie an 5-7 Tagen pro Woche mit einer Therapiedauer von 1-2 mal 30-60 Minuten pro Tag. Die Therapie sollte nach Beendigung der Akutbehandlung noch im Rahmen der stationären Frührehabilitation beginnen, gefolgt von einer längeren teilstationären und oder ambulanten Behandlungsserie mit mindestens 3-5 Therapiesitzungen pro Woche. Nach ausreichender Einweisung des Patienten und oder eines Angehörigen oder einer anderen dritten Person kann die Therapie danach alternativ selbst zu Hause durchgeführt werden, sofern sie ausreichend professionell ambulant überwacht wird. Die Gesamt-Therapiezeit soll in der Regel mindestens 3 Monate, höchstens 24 Monate betragen. Im ersten Behandlungsjahr soll eine Kontrolle des Therapieerfolges und der Indikation zur weiteren Behandlung alle drei Monate erfolgen, danach alle sechs Monate. Die Professionalität des Therapeuten soll überprüfbar sein. Der Umfang der tatsächlich durchgeführten Therapien soll am Gerät im Rahmen einer Prüfung ablesbar und damit nachvollziehbar sein.
Fazit:
1. Die wichtigsten Erkenntnisse (z. B. zur generellen Wirksamkeit) gelten als statistisch abgesichert;
2. Einige zweitrangige Befunde liegen derzeit nur als Tendenzen vor;
3. Für beide Feststellungen gilt, dass die Durchführung weiterer umfangreicher Studien dringlich angezeigt ist.
Schlüsselwörter: EMG-gesteuerte Elektrostimulation, klinische Wertigkeit, Stellungnahme, GESET

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Zielsetzung der funktionellen Elektrostimulation - Hypertrophie oder Funktion des Muskels?

H.-J. Gröber
Weil der Stadt

Zusammenfassung

Die elektrische Muskelstimulation von paretischen Muskeln ist ein seit Jahren etabliertes und bekanntes Verfahren. Bekannt ist und angestrebt wird allgemein nur die kapazitive, größenbezogene Zielrichtung des Trainingseinsatzes. Wissenschaflliche Studienarbeiten konzentrieren sich ebenfalls auf diesen Themenkreis. Bei zentral bedingten Paresen und Inaktivitätsatrophien ohne periphere Beteiligung steht jedoch das koordinative Training im Vordergrund. Neuere Erkenntnisse der MTT belegen, daß, bis auf den Bereich des Extremsports, innerhalb eines koordinativen Trainings genügend Trainingsreize für den kapazitiven Status der Muskulatur geliefert werden. Funktionelle Elektrostimulation kann aber als afferenter Informationsgeber innerhalb der motorischen Funktionstherapie einen Beitrag liefern, der in dieser exakten und reproduzierbaren räumlichen und zeitlichen Form von Physiotherapeuten alleine nicht erbracht werden kann. Dies erfordert einen neuen Denkansatz innerhalb der Therapie und eine Vernetzung von therapeutischen Werkzeugen. Diesen Ansatz greift die Therapieform der integrativen neurophysiologischen Stimulation (INS®), auf. Es handelt sich um einen methodischen, didaktischen Ansatz für die Anwendung von FES (funktionelle Elektrostimulation) in Kombination mit neurophysiologisch bahnenden Bewegungstherapien.
Schlüsselwörter: Muskelparese, funktionelle Elektrostimulation, funktionelle Therapie, propriozeptive Informationsverarbeitung

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